Wußten Sie , daß es an der Technischen Hochschule Karlsruhe ein akademisches Filmstudio gibt? Es ging hervor aus einer 1954 als Protestaktion gedachten Gründung eines akademischen Filmkreises. Nun, nach zwölf Jahren des Bestehens - was ist aus dem Unternehmen geworden? Nachfolgender Bericht versucht, ein kleines Schlaglicht auf das im Keller des Mathematikgebäudes entstandene Filmstudio, seine Möglichkeiten und die Ziele bzw. Wünsche des von viel Idealismus erfüllten Personenkreises hinter der Kamera werfen.

1954 wurde, als Protestaktion gegen den Tiefpunkt des deutschen Films ("Förster im Silberwald") wie an vielen Hochschulen auch in Karlsruhe ein akademischer Filmkreis gegründet, der sich zunächst nur die Vorführung von anspruchsvollen Filmen zum Ziel gesetzt hatte. Erst im Studentenhaus, dann in einem Hörsaal wurde das relativ kleine Schmalfilmrepertoire (16mm) mehrfach durchgespielt, bis man um den Normalfilm (35mm) nicht mehr herumkam. Nach jahrelangem Gebrauch einer tragbaren Vorführmaschine wurde nun 1964 mit einem Kredit, an dem die Studenten noch heute abbezahlen, und mit Hilfe des Hochschulbauamtes eine 35mm-Vorführanlage gekauft und installiert. Damit war aber nur die technische Seite eines gezielten hochschulgerechten Filmprogramms gesichert. Es fehlte an der nötigen finanziellen Unterstützung, dem breiten Interesse der zum technischen Spezialisten tendierenden Studenten und einer geeigneten Hilfestellung seitens von Hochschulinstitutionen, beispielsweise der wünschenswerte Einschluß des Filmstudios ins Studium generale oder der Anschluß an einen Lehrstuhl. Zum Verglich gibt es an den Universitäten von Freiburg und Köln und an der Technischen Hochschule Darmstadt je einen Lehrstuhl für Massenmedien, die mit den dortigen Filmkreisen so eng zusammenarbeiten, daß sich eine fruchtbare wissenschaftliche und bildungspolitische Tätigkeit ergibt.

SchneidetischDie Karlsruher Film-AG sieht sich hingegen aus finanziellen Gründen und wegen eines zwar vorhandenen, aber nicht geweckten Interesses bei den Studenten außerstande, zusammenhängende Sonderfilmwochen mit schwierigen Filmen einzelner Regisseure oder Filmperioden zu veranstalten; sie kommt über einzelne Ostblockfilme und wertvolle Streifen, die in Karlsruhe aus kommerziellen Gründen "unterschlagen" werden ("Limonaden-Joe", "Dr. Seltsam" oder "Frau in den Dünen") nicht hinaus.

Spätestens Anfang der sechziger Jahre sah man im Filmstudio jedoch ein, daß das Vorführen von Filmen nur ein Randgebiet für die akademische Filmarbeit sein kann, daß vielmehr auf die "allgemeine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit" durch das Medium Film das Hauptgewicht gelegt werden müsse. Wieder begann ein Kampf um die nötigen Geräte. Auf den persönlichen Einsatz eines wohlwollenden Rektors hin spendeten der Süddeutsche Rundfunk einen kompletten Schneidetisch und die Firma Siemens eine Magnetton-Vertonungsmaschine.

Aus mageren Einspielergebnissen und gelegentlichen Geldspenden der Hochschulvereinigung erstanden die Studenten eine gebrauchte Kamera und kleinere ergänzende Geräte. Im Keller des Mathematikgebäudes entstand ein kleines Filmstudio, das 16mm- und in Kürze aus 35mm-Streifen von der Idee bis zum fertigen Tonfilm produzieren kann. Es hat sich ein Team von Studenten zusammengefunden, das alle Sachgebiete bewältigen kann. Eine kleine Bibliothek einschlägiger Filmliteratur und aktueller Informationen bilden die papierne Grundlage für die Beschäftigung mit Filmgeschichte und -theorie. Aber in welch unangemessener Weise wird die hier vorhandene potentielle Möglichkeit, Filme zu machen, genutzt. Mit hochschulinternen Wochen- und Semesterschauen konnten die Studenten ein wohlwollendes, aber zurückhaltendes Interesse von Professoren und Studierenden erwecken. Durch unkonventionelle und klischeefreie, mit Gags vermischte Darstellungsweise wird darin nicht nur die Hochschulwirklichkeit reproduziert, sondern auch kritisch betrachtet. Alles andere ist bisher Projekt geblieben. So läuft zur Zeit der Auftrag einer großen Maschinenbaufirma für eine technischen Informationsfilm. In einem Zehn-Minuten-Streifen soll die Verkehrsproblematik auf dem Hochschulgelände beleuchtet werden. Das Drehbuch für einen kurzen Spielfilm mit dem Titel "Ein Tag für andere" geht seiner Fertigstellung entgegen. Dieser Kurzfilm soll vor allem durch Kameraexperimente und Regietricks die Stadtatmosphäre und den Alltag aus der veränderten Sicht eines Menschen zeigen, der am Morgen einen entscheidenden Brief erhielt.

DrehWie groß aber die ungenutzten Möglichkeiten sind, ergab ein Gespräch mit den sehr tatenfreudigen Studenten der Film-AG. Sie bieten den mit einem Minimum an Materialkosten selbstgedrehten Film als Informationsmittel der einzelnen Institute sowohl für andere Institute als auch für die Öffentlichkeit an; durch eine Koordinierung mit dem Filmkreis und die damit verbundene Aufklärungsarbeit nach außen könnte für das Wirken der verschiedenen Fakultäten viel Verständnis geweckt werden. Weit produktiver noch ist die Aufzeichnung von technischen Vorgängen mit filmischen Mitteln und deren Verwendung zu Lehrzwecken; damit verbunden könnten die Filmstudenten sogar eine regelrechte Forschung auf noch unentdeckten Gebieten filmischer Darstellungsweisen betreiben. Aber noch scheint die richtige Einschätzung des Phänomens Film als vielfältiges Werkzeug zum Nutzen der Wissenschaft zu fehlen. Wege, wie sie in Aachen beschritten wurden, scheinen in Karlsruhe noch nicht einmal in Sicht zu sein; dort haben Studenten des Elektrotechnik Diplomarbeiten in Form von wissenschaftlichen Filmen abgeliefert. Ebenfalls nicht erkannt wurden bisher die Möglichkeiten des Industrie- und Wirtschaftsfilmes innerhalb der Vorlesungen. Wenn überhaupt Verlangen danach bestünde, würde sich die Film-AG die Mühe machen, aus dem vorhandenen Angebot jene rund zehn Prozent herauszusuchen, die den Bedürfnissen einer Technischen Hochschule entsprechen.

Es wäre jedoch falsche, wollte man das akademische Filmstudio generell in die Grenzen des Hochschulbereiches verweisen. Von - erst noch zu vergebenden - Produktionsaufträgen der Industrie abgesehen, könnte es manches zum Nutzen der Stadt Karlsruhe beitragen. wenn die "cineastische Kellerkinder" in ihrem Miniaturstudio auch noch keinen Filmhimmel eingerissen haben und das sicher auch in der Zukunft nicht tun werden, haben sie dennoch in ihrer zwölfjährigen Tätigkeit auf informatorischem und schöpferischem Gebiet gezeigt, daß man durch pausenloses Engagement für eine gute Sache Wertvolles leisten und Gültiges schaffen kann, auch wenn das angemessene Interesse und dir Würdigung der Öffentlichkeit ausbleiben.

 

-tommy-
(Quelle: BNN, 28.12.1966)

 

Wir bei Facebook: